Kartoffeln und Steckrüben in der Nachkriegszeit

Baustein 8 (Sekundarstufe II, Klasse 11 – 12)

 

1. Einführung in das Thema
Die Kartoffel gilt heute als billiges Grundnahrungsmittel und für einen Großteil der Bevölkerung ist es ist selbstverständlich, Kartoffeln günstig und in großer Auswahl im Supermarkt oder im Discounter käuflich zu erwerben. Außerdem gibt es noch zahllose Kartoffelprodukte (Puffer, Klöße, Püree, Chips, Rösti, Kroketten, Pommes frites usw.), die ebenfalls jederzeit günstig und in unterschiedlichen Verarbeitungsstufen zur Verfügung stehen. Die Wertschätzung der Kartoffel ist im Verhältnis zu anderen Lebensmitteln, wie z. B. Obst, Gemüse oder Fleisch relativ gering, vielleicht gerade weil sie als eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel gilt.
Steckrüben hingegen verbinden viele Menschen eher mit dem Aspekt des Viehfutters. Doch war dies schon immer so?
Besonders in der Nachkriegszeit des ersten Weltkrieges nahm die Nahrungsmittelknappheit für die Bevölkerung dramatische Formen an. Eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel, die Kartoffel, fiel als Versorgungsmittel aus, so dass die Steckrübe zum Hauptnahrungsmittel wurde, welches in zahlreichen Zubereitungsformen einen Großteil der üblichen Nahrungsmittel ersetzen sollte.
Daher kommt auch die Bezeichnung Steckrübenwinter. Dieses Modul soll einen Einblick in die Bedeutung und Wertschätzung der beiden Lebensmittel in der Nachkriegszeit geben und den Zusammenhang zwischen Mangel, Überfluss und Wertschätzung von Nahrungsmitteln verdeutlichen.

In der Problematisierungsphase zu diesem Themenkomplex sollte ein Gespräch mit einem Zeitzeugen oder einer Zeitzeugin stattfinden, in welchem Kenntnisse über die Versorgung der Bevölkerung in der Nachkriegszeit erworben werden sollen.
(Ur-)Großeltern oder Senioren aus der Schulgemeinde können eingeladen werden und aus ihrer Jugend in der Nachkriegszeit in den 1940er Jahren berichten.
Im Anschluss daran kann ein "Kugellager" stattfinden, in welchem die Schülerinnen und Schüler sich gegenseitig über die im Gespräch gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen austauschen.
Daran anschließend wird von den Schülern und Schülerinnen eine Recherche, entweder im Bezug auf Textstellen oder im Internet, durchgeführt. Mithilfe der erhaltenden Ergebnisse wird gemeinsam eine Mindmap unter dem Themenschwerpunkt "Kartoffeln und Steckrüben in der Nachkriegszeit" angefertigt, dabei sollen die Nachkriegszeiten beider Weltkriege als Grundstein dienen. Wobei die Steckrübe vor allem in der Kriegs- und Nachkriegszeit des ersten Weltkrieges einen enormen Bedeutungszuwachs erhielt.

 

2. Allgemeine Hinweise zu den Materialien
Die angebotenen Unterrichtshilfen sind je nach Umfang der Unterrichtseinheit anpassbar. Zeitzeugen der Zeit nach dem 2. Weltkrieg sind nicht leicht zu finden. Möglich wäre es (Ur-)Großeltern oder Senioren aus der Schulgemeinde einzuladen, damit sie aus ihrer Jugend in der Nachkriegszeit seit Mitte der 1940er Jahre berichten. Sonst müssten entsprechende Berichte im Internet gesucht werden.

 

3. Mögliche Lehr- und Lernziele
Die Schülerinnen und Schüler sollen

  • einen Einblick in die Lebenssituation der Menschen in der Nachkriegszeit erlangen,

  • erläutern, welche Bedeutung die Nahrungsmittel "Kartoffel" und "Steckrübe" in der Kriegs- und Nachkriegszeit gewannen,

  • reflektieren und begründen, welche Bedeutung sie der Kartoffel und der Steckrübe als Lebensmittel gestern und heute zuordnen.

 

4. Fragestellungen

  • Welchen Strapazen war die Bevölkerung in der Nachkriegszeit ausgesetzt?
  • Welche Bedeutung hatten Kartoffeln und Steckrüben als Nahrungsmittel für die Menschen nach 1945?
  • Welche Bedeutung hatte die Steckrübe in den sogenannten Steckrübenwintern 1916 und 1947/48?

 

5. Material

Gries, Rainer (1991): Die Rationen Gesellschaft. Versorgungskamp und Vergleichsmentalität: Leipzig, München und Köln nach dem Kriege, Münster

 

6. Hintergrundinformation und weitere interessante Links, Literatur etc. für die Hand der Lehrperson

http://www.dortmund.de/de/freizeit_und_kultur/museen/deutsches_kochbuchmuseum/startseite_dkbm/index.html

Zeitzeugenberichte über den Hungerwinter ab Oktober 1946
http://www.weltkrieg.cc/hungerwinter-oktober-1946/zeitzeugenberichte-uber-den-hungerwinter-ab-oktober-1946-video_b8d50d9d7.html

 

7. Hintergrundinformation und weitere interessante Links, Literatur etc. für die Schülerinnen und Schüler

Zeitzeugenberichte über den Hungerwinter ab Oktober 1946
http://www.weltkrieg.cc/hungerwinter-oktober-1946/zeitzeugenberichte-uber-den-hungerwinter-ab-oktober-1946-video_b8d50d9d7.html

 

Vorschläge für den Unterricht

Problematisierung

Hungerwinter in der Nachkriegszeit 1946

Methodentyp: Video und anschließende Diskussion

Ziele: Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen und der Ernährungssituation der Menschen in der Nachkriegszeit.

Inhalt:

Das Video über die Nachkriegszeit mit Zeitzeugenberichten wird angeschaut, anschließend werden Fragen an Zeitzeugen erarbeitet.

Dauer: 45 Min.

Material: Zeitzeugenberichte über den Hungerwinter ab Oktober 1946


Anleitung
Das Video mit den Zeitzeugenberichten soll bezogen auf die Erzählungen und Aussagen zur Ernährungssituation betrachtet werden. Während des Films können sich die Schülerinnen und Schüler Notizen machen.
Im Anschluss an den Film sollen sie in Gruppenarbeit Fragen sammeln und notieren, die sie in der folgenden Umsetzung an die eingeladenen Zeitzeugen stellen wollen.

 

Umsetzung

Versorgungskampf der Nachkriegszeit

Methodentyp: Gruppengespräch/Befragung; Kugellager

Ziele: Kenntnisse über die Lebenssituation und den Vorratskampf der Menschen in der Nachkriegszeit erwerben

Inhalt:

In Form von Gruppengesprächen mit einem Zeitzeugen oder einer Zeitzeugin sollen Kenntnisse über die Nachkriegszeit erworben werden

Dauer: 70 Min.


Anleitung
Diese Unterrichtsphase setzt sich aus zwei Einheiten zusammen:

Zunächst einmal sollen die Schülerinnen und Schüler in Gesprächsgruppen à fünf Personen eingeteilt werden. Anschließend erhält jede Gruppe einen Experten, in diesem Fall einen Zeitzeugen oder eine Zeitzeugin, mit deren Hilfe die Gruppen die Lebenssituationen und den Versorgungskampf der Nachkriegszeit rekonstruieren sollen.
Die Zeitzeugen können zu einen (Ur-)Großeltern oder zum anderen auch Mitglieder eines örtlichen Geschichtsvereins sein. Im Verlauf dieses Gespräches sollen die Schüler und Schülerinnen möglichst viele detaillierte Informationen gewinnen und ihre Fragen aus der Problematisierung einbringen.

Nach Beendigung dieser Phase haben die Schülerinnen und Schüler fünf Minuten Zeit, die ihrer Meinungen nach wichtigsten Informationen über die Lebenssituation und den Versorgungskampf auf eine Karte zu schreiben, welche sie in die Austauschphase mit ihren Mitschülern ins Kugellager, mitnehmen dürfen. Es werden mehrere Durchgänge empfohlen, wobei darauf geachtet werden sollte, dass während dieser Partnerdiskussion kein Team gebildet wird, welches zuvor in einer Gesprächsgruppe war:

  • Zunächst erklärt Person A ihrem Gegenüber (Person B) die von ihr wahrgenommene Lebenssituation in der Nachkriegszeit. Dann ist Person B an der Reihe und schildert die Lebensmittelsituation.

  • Nach der ersten Rotation im Kugellager veranschaulicht Person A erneut seinem neuen Partner (Person C) die Lebenssituation und Person C legt die Lebensmittelversorgung dar.

  • In dem nun letzten Durchgang des Kugellagers findet ein Rollentausch statt: Person A erläutert nun ihrem Gegenüber (Person D) die Informationen, die aus den vorherigen Gesprächen über die Vorratskampf gewonnen wurden. Daran anschließend gibt Person D die erlangten Informationen zur Lebenssituation preis.

Daran anschließend wird noch einmal im Plenum ein gemeinsames Tafelbild erstellt, in welchem die gewonnenen Informationen und Eindrücke der Schüler und Schülerinnen festgehalten werden.


Anmerkung
Die Schülerinnen und Schüler müssen bereits über die Methode des Kugellagers informiert sein bzw. zuvor darüber aufgeklärt werden.


Alternative

Wenn wenig Zeit vorhanden ist oder es zu umständlich erscheint in die Methode des Kugellagers einzuführen, besteht auch die Möglichkeit nach Beendigung der Gruppengespräche das gemeinsame Tafelbild zu erstellen.
Wenn keine Experten zur Verfügung stehen, können Texte von Zeitzeugen gelesen und erarbeitet werden.

 

Alternativmaterial

Zeitzeugenberichte über den Hungerwinter ab Oktober 1946
http://www.weltkrieg.cc/hungerwinter-oktober-1946/zeitzeugenberichte-uber-den-hungerwinter-ab-oktober-1946-video_b8d50d9d7.html

Hörmann, Jürgen (2009): Die Ernährungs- und Versorgungslage in Wien. Ottakring in der Erinnerung von Zeitzeugen 1945 – 1949, Wien

Rothenberger, Karl Heinz, Die Hungerjahre nach dem Zweiten Weltkrieg am Beispiel von Rheinland-Pfalz (1997), in: Düwell Kurt/ Matheus Michael (Hrsg.), Kriegsende und Neubeginn. Westdeutschland und Luxemburg zwischen 1944 und 1947, Stuttgart
abrufbar unter:
http://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/texte/aufsaetze/rothenberger-hungerjahre.html

Justus Rohrbach (1955): Im Schatten des Hungers. Dokumentarisches zur Ernährungspolitik und Ernährungswirtschaft in den Jahren 1945 – 1949, hg. von Hans Schlange-Schöningen, Hamburg und Berlin

 

Der Kampf um die Lebensmittel – Kartoffeln und Steckrüben

Methodentyp: Mindmap

Ziele: Bedeutung der Kartoffel und der Steckrübe in der Nachkriegszeit erfassen

Inhalt:

Mithilfe von Recherchearbeit soll ein Einblick in die Bedeutung von Kartoffeln und Steckrüben hinsichtlich der Sicherung des Überlebens erfolgen.

Dauer: 90 Min.

Material: Textstellen aus: Gries, Rainer (1991): Die Rationen Gesellschaft. Versorgungskampf und Vergleichsmentalität: Leipzig, München und Köln nach dem Krieg, Münster, S. 41 – 54, S. 146 – 154 und S. 177 – 194


Anleitung
Die Schülerinnen und Schüler lesen in einer Stillarbeitsphase die kopierten Textstellen. Dabei kann arbeitsteilig vorgegangen werden, so dass ein Teil der Klasse die Seiten 41 – 54 liest, ein Teil die Seiten 146 – 154 und eine andere Gruppe die Seiten 177 – 194. Dabei sollen sie z. B.folgenden Arbeitsaufträgen nachgehen:

  • Welche Ursachen sind für den Versorgungskampf auszumachen?

  • Welche Folgen hat die Kartoffel-Anarchie für die Bevölkerung? Gab es Alternativen die in Betracht gezogen wurden?

  • Was kann über die Bedeutung der Kartoffel als Nahrungsmittel ausgesagt werden?

Zwei weitere Arbeitsgruppen sollen sich währenddessen mit einer Internetrecherche zum Thema "Steckrüben" befassen, wobei beispielsweisefolgende Arbeitsaufträge gestellt werden können:

  • Welche Bedeutung kommt der Steckrübe in der Nachkriegszeit zu? Was macht diese so besonders?

  • Informiere dich über die Aussage, dass die Steckrübe als Nahrungsmittel der Notzeiten gilt. Was ist damit gemeint?

Die Ergebnisse der Textstellen und der Internetrecherche werden anschließend im Plenum zusammengetragen, wobei auch noch einmal auf die Bedeutung der beiden Lebensmittel für die heutige Gesellschaft eingegangen werden soll.
Hier kann diskutiert werden,

  • ob Steckrüben heute einen anderen Stellenwert im System der Küche haben als in Notzeiten,

  • ob Rezepte zu Steckrüben in Kochbüchern zu finden sind,

  • ob Steckrüben auch von der sog. Gourmetküche (wieder-)entdeckt wurden.

Im Anschluss daran wird eine Mindmap an der Tafel, angefertigt. Diese soll als Ergebniswand zum Themenschwerpunkt "Kartoffeln und Steckrüben in der Nachkriegszeit" dienen.

 

Kommentar
Abschließend sollte eine Diskussion um die heutige Ernährungssituation in Deutschland und eine Reflexion des eigenen Standpunktes der Schülerinnen und Schüler erfolgen. Folgende Leitfragen könnten beispielsweise genutzt werden:

  • Haben wir/habe ich schon einmal Hunger erlebt?
  • Welchen „Wert“ messen wir in unserer Gesellschaft Lebensmitteln allgemein und/oder ausgewählten Lebensmitteln (z.B. Kartoffeln, Steckrüben usw.) zu?
  • Warum hat sich die Wertschätzung von Lebensmitteln in den vergangenen Jahrzehnten geändert?

 

[Stand: 27.10.2013]