Was passiert mit den Lebensmitteln, die wir nicht essen?

Baustein 15 (Primarstufe, Klasse 3 – 4 und Sekundarstufe I, Klasse 5 - 6)

 

1. Einführung in das Thema
Die Universität Stuttgart hat in ihrer aktuellen Studie zur Lebensmittelverschwendung sowohl das Ausmaß als auch die Hauptursachen für die enormen Lebensmittelabfälle identifiziert und bestätigt damit weitgehend bisherige Vermutungen und Untersuchungen (vgl. auch die aktuelle Untersuchung der FH Münster für Nordrhein-Westfalen).
Der Großteil der Lebensmittelabfälle entsteht demnach in Privathaushalten, durchschnittlich wirft jeder Bundesbürger pro Jahr 81,6 Kilo Lebensmittel weg, insgesamt also in Deutschland 6,7 Millionen Tonnen. Nach Einschätzung der Universität Stuttgart handelt es sich hierbei um 35 Prozent nicht vermeidbarer Abfälle, wie beispielsweise Eierschalen, Kaffeesatz, Fischgräten, usw. Immerhin 47 Prozent der Lebensmittelabfälle in deutschen Haushalten wären jedoch vermeidbar bzw. 18 Prozent teilweise vermeidbar.
Als wichtigste Ursachen für das Wegwerfen werden neben der falschen Aufbewahrung und dem Ablauf des MHD vor allem die mangelnde Wertschätzung von Lebensmitteln angesichts eines Überflussangebots und des äußerst günstigen Preisniveaus genannt, aber auch Fehlplanung, Fehlkauf und mangelnde Übersicht über die eigenen Vorräte.
Neben den Privathaushalten sind weitere Bereiche der Lebensmittelverschwendung die Lebensmittelindustrie, der Handel und Großverbraucher/Gastronomie. Allein in den deutschen Schulmensen wurden im Schuljahr 2009/2010 laut Angaben der BMELV-Studie 75.000 bis 87.000 Tonnen Lebensmittel weggeworfen.
Vor diesem Hintergrund sollen Schülerinnen und Schüler für den Umgang mit Lebensmitteln sensibilisiert und eigenes Handeln in den Mittelpunkt gestellt werden.
Was passiert eigentlich mit den Lebensmitteln, die wir nicht essen? Mit dem Pausenbrot oder den braun gewordenen Apfelstückchen, die im Mülleimer landen? Wo landen die Reste vom Kuchenbuffet der Schulfeier? Wo die Reste aus der Schulmensa?
Über diese Problematisierung hinaus geht es schließlich um die Entwicklung von Handlungsalternativen, die im Rahmen der schulischen Möglichkeiten zur Entwicklung eines nachhaltigen Lebensstils beitragen können. Hierbei soll nicht außer Acht gelassen werden, dass Konsumentinnen und Konsumenten zwar Einfluss nehmen können, jedoch angesichts vielfältiger Regelungen von Markt und Politik an Grenzen stoßen.

 

2. Mögliche Lehr- und Lernziele
Die Schülerinnen und Schüler sollen

  • den eigenen Umgang mit Lebensmitteln in ihrer Lebenswelt reflektieren und mögliche Gründe für dieses Handeln identifizieren.
  • das Ausmaß der Lebensmittelverschwendung an ausgewählten Beispielen der Wertschöpfungskette erläutern können.
  • die Bedeutung von gesetzlichen Regelungen für den Handel und Institutionen der Schulverpflegung diskutieren.
  • die Bedeutung von Einkaufsplanung und -organisation für die Vermeidung von Lebensmittel-Abfällen erläutern können und exemplarisch bei der Durchführung eines Schulfrühstücks oder eines Elternnachmittags berücksichtigen.

 

3. Fragestellungen

  • Aus welchen Gründen werden Lebensmittel weggeworfen?
  • Wie viele Lebensmittel werden in Privathaushalten oder von Privatpersonen in den Abfall geworfen?
  • Warum kommt in der Schulmensa Essen in die Mülltonne?
  • Welchen Beitrag können wir leisten, um Lebensmittel-Abfälle zu reduzieren?
  • Was macht der Handel mit den Lebensmitteln, die keiner kauft? Was passiert mit den Brötchen, wenn die Bäckerei abends schließt?

 

4. Material

Fachhochschule Münster, Institut für Nachhaltige Ernährung und Ernährungswirtschaft, Verbraucherzentrale NRW (2012): Verringerung von Lebensmittelabfällen – Identifikation von Ursachen und Handlungsoptionen in Nordrhein-Westfalen
https://www.fh-muenster.de/isun/downloads/Studie_Verringerung_von_Lebensmittelabfaellen.pdf

Körner, T.; Bartsch, S. (2012): Pausenbrot in die Tonne? Zwischen Unbehagen und Freiheit zur Selbstbestimmung. In: Haushalt in Bildung und Forschung 1, S. 67 – 81.

Kreutzberger, Stefan; Thurn, Valentin (2011): Die Essensvernichter. Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist. 1. Auflage. Köln

Niemann, Katrin (2011): Zu viele Lebensmittel landen im Müll – Eine Bestandsaufnahme abrufbar unter:
http://www.was-wir-essen.de/einkauf/keine_lebensmittel_in_den_muell_bestandsaufnahme.php

Stuart, Tristram; Werth, Sabine; Bertram, Thomas (2011): Für die Tonne. Wie wir unsere Lebensmittel verschwenden. Mannheim

Universität Stuttgart – Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft (2012): Ermittlung der weggeworfenen Lebensmittelmengen und Vorschläge zur Verminderung der Wegwerfrate bei Lebensmitteln in Deutschland. Kurzfassung der Studie abrufbar unter:
http://www.bmelv.de/SharedDocs/Downloads/Ernaehrung/WvL/
Studie_Lebensmittelabfaelle_Kurzfassung.pdf?__blob=publicationFile

WDR-Film (2010): Essen im Eimer: Die große Lebensmittelverschwendung. 30 Min.
abrufbar unter:
http://www.planet-schule.de/sf/php/02_sen01.php?sendung=8459

 

Vorschläge für den Unterricht

Problematisierung

 

Jedes Jahr landen 81,6 Kilogramm Lebensmittel pro Person im Abfall – aber nicht bei mir!

Methodentyp: Erzählung mit verteilten Rollen lesen, Partnerarbeit, Cluster

Ziele: Die Lernenden setzen sich mit dem Ausmaß der Lebensmittelverschwendung in ihrer Lebenswelt auseinander und erarbeiten Motive bzw. Ursachen für individuelles Handeln.

Inhalt: Ursachen und Ausmaß der Lebensmittelverschwendung auf individueller und gesellschaftlicher Ebene

Dauer: 45 Minuten

Material: Arbeitsblatt mit Erzählung


Anleitung:
Die Schülerinnen und Schüler lesen den Dialog der Familie Wasting mit verteilten Rollen und arbeiten wesentliche Aussagen heraus, indem sie diese auf Karteikarten schreiben.
Anschließend werden diese an der Tafel gesammelt, nach Ursachen und Auswirkungen sortiert (Cluster) und Lösungsmöglichkeiten diskutiert.

 

Interviews mit Leitfragen – Lebensmittel in den Abfall?

Methodentyp: Vorstrukturiertes Interview

Ziele: Die Lernenden sammeln Informationen zum Wegwerfen von Lebensmitteln in ihrer Lebenswelt und setzten sich mit der Ambivalenz zwischen Wegwerfen und schlechtem Gewissen auseinander.

Inhalt: Tatsächliches Wegwerfverhalten durch Interviews erkunden, Motivationen erfragen ohne von sich selbst Details verraten zu müssen.

Dauer: 45 Minuten

Material: Arbeitsblatt mit vorstrukturiertem Interview


Anleitung:
Die Schülerinnen und Schüler führen in Partnerarbeit jeweils vier Interviews innerhalb der Lerngruppe (oder in der Pause auf dem Schulhof) durch. Anschließend werden in Vierer-Gruppen die Ergebnisse ausgetauscht und diese im Plenum vorgestellt. Die Lehrperson sammelt während der Präsentation wesentliche Aussagen an der Tafel oder auf einer Folie (Interviewbogen blanko). Mögliche Lösungsansätze werden im Plenum diskutiert.

 

Umsetzung

Lebensmittelabfälle vermeiden – Planung und Organisation

Methodentyp: "1, 2 oder 3" (Rate-Quiz) selbst entwickeln und spielen, Placemat

Ziele: Die Lernenden setzten sich mit verschiedenen Konfliktsituationen auseinander, indem sie Handlungsalternativen entwerfen und diese im Hinblick auf die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung begründet beurteilen.

Inhalt: Im Bereich Lebensmitteleinkauf und Mahlzeitenplanung gilt es durch Organisation und Planung Lebensmittelabfälle zu vermeiden.

Dauer: 2 x 45 Minuten (Entwicklung – Spielen + Reflexion)

Material: Konfliktkarten mit Lösungsvorlage, Placemat für die Gruppenarbeit


Anleitung:
Die Schülerinnen und Schüler arbeiten in einer Vierer-Gruppe mit einer leeren Placemat-Vorlage. Jede Gruppe bekommt vier Konfliktsituationen, für die mindestens eine richtige und eine falsche Antwort gefunden werden soll. Insgesamt sollen immer drei Antworten formuliert werden, so dass es durchaus zwei richtige oder zwei falsche Antworten geben kann. Dies ist wichtig, da so insbesondere die Komplexität des Themas bzw. die situationsabhängigen Widersprüche thematisiert werden können (siehe Beispiel). Nachdem zunächst jede/jeder in seinem Placemat-Feld mögliche Antworten formuliert hat, sollen sich die Gruppenmitglieder auf eine Version für die Spielkarte einigen und diese eintragen. Die Lösungen werden dann nach hinten geknickt.
Wenn alle damit fertig sind, wird in jeder Gruppe ein/e Spielführer/in ernannt. Diese kommen mit den Spielkarten nach vorn. Eine weitere Schülerin sammelt an der Tafel die Punkte für die zwei Teams, in welche die Klasse nun eingeteilt wird. Nun werden die Konflikte von den Verantwortlichen vorgelesen. Sobald alle drei Lösungsmöglichkeiten vorgelesen wurden und sich jemand meldet, kann sie/er 10 Punkte erhalten, wenn er/sie die richtige Antwort begründen kann. Bei jeder Falschantwort gehen 10 Punkte an die andere Mannschaft. Für teilweise richtig beantwortete Fragen gibt es keine Punkte.

Die Reflexion und Auswertung findet nach jeder Spielkarte im Plenum statt.

 

Wo bleiben all die Brötchen nach Ladenschluss?

Methodentyp: Experteninterview

Ziele: Die Schülerinnen und Schüler setzen sich kritisch mit den Folgen einer hohen Warenverfügbarkeit in den Randöffnungszeiten auseinander.

Inhalt: Unterschiedliche Entsorgungsmöglichkeiten und das Ausmaß von Lebensmittelverschwendung im Handel werden exemplarisch an der Produktgruppe der Backwaren erarbeitet.

Dauer: 45 Min. + Auswertung

Material: Leitfaden zum Interview


Anleitung:
Getreideverarbeitung, Brot und Backwaren gehören in der Regel zu den meist ausgewählten Inhalten des Sachunterrichts in der Primarstufe. Die Erkundung einer örtlichen Backstube oder Bäckerei gehört dabei zu den beliebten Unterrichtsmethoden. In diesem Zusammenhang können die angebotenen Leitfragen eine Auseinandersetzung mit dem Thema Lebensmittelverschwendung ermöglichen (vgl. auch Baustein 11).

Mögliche Leitfragen für ein Experten-Interview: Bäckerei

  • Was passiert nach Ladenschluss mit all den übrig gebliebenen Backwaren?
  • Verkaufen Sie Backwaren am nächsten Tag für den halben Preis?
  • Warum wird nicht schon kurz vor Ladenschluss günstiger verkauft?
  • Verschenken Sie Backwaren an arme Menschen (Die Tafel)?
  • Werden manche Brötchen zu Tierfutter oder zu Brennstoff?
  • Was würde passieren, wenn Sie abends nicht mehr so viel Brot im Regal hätten?
  • Was könnten wir tun, damit nicht so viel Brot und Brötchen in den Abfall kommen?

[Stand: 28.10.2013]