Ernährung
Wissenschaftlliche Grundlagen: Natur und Kultur der Ernährung des Menschen
Menschen müssen essen und trinken um zu leben. Essen ermöglicht, Energie zu gewinnen, Körpersubstanz aufzubauen und zu erhalten sowie Stoffwechselprozesse zu initiieren und zu steuern. Die Qualität des Essens hat zentralen Einfluss auf Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden. Dies ist kurzfristig nicht immer erkennbar, wohl aber langfristig wirkungsvoll und bei ungünstiger Ernährung zunehmend über die Entwicklung ernährungsabhängiger Krankheiten erfahrbar. Eine Ernährung, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit sichert, ist daher nicht nur im großen Interesse der Einzelnen, sondern auch der Gesellschaft.
Was Menschen wie essen, d. h. auch, wie sie produzieren und zubereiten oder wie sie die Essgemeinschaften gestalten, wird nicht durch den Instinkt gesteuert, sondern in Familie und sozialer Umwelt über soziokulturelle Muster weitergegeben und -entwickelt. Diese Muster bestimmen auch die Bedeutung des Essens für die (soziale und kulturelle) Identität. Sie erklären Ernährungsverhalten und Handlungsstrukturen, Geschmackspräferenzen und subjektive Vorstellungen davon, was unter einem ‚guten Essen‘ zu verstehen ist.
Wissen über Zusammenhänge und Folgen von Nahrungsproduktion, -verarbeitung und -verteilung/Handel sowie Kenntnisse über die Bedeutung und Begründung von handlungsleitenden Werten sind ebenso Grundlage einer Ernährungsbildung, die für die Alltagsorganisation und die Lebensführung Orientierung geben kann und soll.
Eine angemessene Betrachtung von Ernährung kann folglich nur durch die Integration der Ergebnisse natur-, verhaltens- und gesellschaftswissenschaftlicher Forschung erfolgen.
Ernährungs- und Verbraucherbildung ist Teil der ‚functional literacy‘
Sich zu ernähren ist eine zentrale kulturelle Alltagspraktik, die entsprechende ‚Kulturtechniken‘ voraussetzt. Essen und Ernährung sind in modernen Gesellschaften der Verantwortung der Einzelnen überlassen. Diese müssen u. a. lernen, ihr Essverhalten zu verstehen und zu gestalten. Die familiäre Tradierung kann das notwendige Wissen nicht oder nicht ausreichend sichern.
Zunehmend wird den Einzelnen die Verantwortung für ihr Handeln und dessen Folgen übergeben, ohne ihnen allerdings dafür die notwendigen Kompetenzen zu vermitteln. Ein funktionaler Analphabetismus im zentralen Bereich Ernährung und Gesundheit kann für Individuum und Gesellschaft äußerst problematische Folgen zeitigen. Individuelle und gesellschaftliche Zukunftsfähigkeit braucht daher eine ‚Nutrition and Health Literacy‘ ebenso wie die anderen Kulturtechniken Lesen oder Rechnen.
Zwischen Wissenschaft und Alltagshandeln: Nahrung, Essen und Ernährung in der Schule
Das fachwissenschaftliche Verständnis der Ernährungsbildung war in der Vergangenheit eher naturwissenschaftlich-technisch und an der Vermittlung von Normen orientiert. Damit wurden handlungsleitende und alltagsgerechte Kompetenzen nicht ausreichend vermittelt.
Für eine handlungsrelevante Ernährungsbildung müssen alle relevanten Wissenschaftsdisziplinen zur Erforschung des Alltagsphänomens „Essen und Trinken“ mit einbezogen und den Lernenden für die bewusste Gestaltung ihrer Ess- und Ernährungsweise zur Verfügung gestellt werden.
(Ernährungs-) Bildung muss von den lebensweltlichen Erfahrungen ausgehen und an Alltagsvorstellungen anknüpfen. Wissen, Fähigkeiten, Werte und Motivationen sollten dazu dienen, die Lebenswelt analysieren, reflektieren und gestalten zu können. So können Sinn und Grenzen der Veränderung von Ernährungsgewohnheiten und Handlungsstrukturen angemessen und erfolgreich thematisiert, Handlungsoptionen erweitert und neue Orientierungen ermöglicht werden.
[Stand: 20.6.2005]